Wintermond

Rollenspiele zwischen vorher angekündige Personen

Moderator: Plexsus

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Lucerias
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Wintermond

Beitrag von Lucerias »

Eine einsame schwarze Gestalt glitt über dem Eis dahin. Träge und behäbig hoben sich ihre Flügel, gar nicht so elegant wie es einem der Ihren zustehen würde. Hin und wieder schlingerte sie etwas von einer Seite zur anderen, da ihr der ständige Kampf mit dem eisigen Nordwind die Kräfte raubte. Wie lang war sie jetzt schon unterwegs? Akara hatte eigentlich das knappe Tageslicht nutzen wollen, um zu jagen. Stattdessen fand sie vor sich nichts als blendendes Weiß, das in ihren Augen schmerzte. Es gab nicht einmal Spuren hier draußen, einfach... gar nichts. Irgendwo in der Ferne erstreckte sich eine Bergkette, deren Name der Drachin gerade nicht einfallen wollte und ihr eigentlich auch egal war. Ich bin viel zu weit draußen.

Es fing an zu schneien.

Das Innere ihrer Nase war inzwischen eingefroren und sie meinte, dass sich an den äußeren Spitzen ihrer Flügel schon eine leichte Eiskruste bildete. Genau sagen konnte sie es nicht, da sich so ganz allmählich die Taubheit in ihren Gliedern ausbreitete. Irgendwie fühlte sie sich auch leicht benebelt... lag das am Frost? Oder würde sie letztendlich das Schicksal des Rests ihrer Art teilen? Na los du Frischling. Stell dich nicht so an. Sie schüttelte den Kopf, in der Hoffnung wieder einigermaßen klar zu werden, und wendete. Los... du musst aus dieser Kälte raus... Sie starrte angestrengt in die Ferne, versuchte den kleinen Hügel mit ihrem Unterschlupf wiederzufinden, doch der Schnee und der Himmel hatten dieselbe weiße Farbe angenommen und ließen sich kaum noch unterscheiden. Akara stieg ein Stück auf und schleppte sich mühsam in der Luft vorwärts. Die Höhle lag doch da lang... oder...? War das überhaupt die richtige Richtung? Hier sah alles so gleich aus...
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Yosemite
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Re: Wintermond

Beitrag von Yosemite »

Was war es für ein herrliches Leben – was für ein herrlicher Sommer gewesen. Hoch waren sie in die lauen Tage über dem weißen Gebirge aufgestiegen und die kühlen Abende hatten sie an einem Feuer auf ihren ausladenden Balkonen verbracht. Der Sommer verging und der Herbst kam. Sie tanzten mit den bunten Blättern, die von den Bäumen flogen. Dann kam der Winter, wie in jedem anderen Jahr. Keiner ahnte auch nur, welch ein Winter nun für sie angebrochen war. Zunächst merkten sie nur, daß es ein besonders harter und langer Winter werden würde – doch keiner zweifelte daran, daß der Frühling wieder anbrechen würde. Doch die Wochen vergingen und kein Frühling kam. Aus den Wochen wurden Monde und nun wurde ihnen allen klar, daß hier etwas Unnatürliches vor sich ging.

Bald schon merkten sie, daß ihre Kräfte schwanden. Jeder von ihnen war von der Magie abhängig und entsprechend schnell erlahmte das Leben in ihnen. Zuerst traf es die hochspezialisierten Magier. Eines Tages erwachten sie nicht mehr und alle befürchteten zunächst ihren Tod, doch sie starben nicht. Sie wurden kalt und starr und glichen nun Eisstatuen, doch immer noch waren schwache Lebenszeichen zu erkennen. So glitt einer nach dem anderen in diese Starre zwischen Leben und Tod hinüber, bis nur noch Ippokratis Don Demian und seine Gemahlin Lysann Nyra Coralie Leben in sich hatten. Doch war Lysann schon sehr schwach und er verbrachte die letzten Tage an ihrem Bett bis auch sie kalt wurde und erstarrte.

Die nächsten Tage verbrachte Ippokratis in tiefer Trauer, die Tage darauf in höchstem Zorn, bis er sich soweit beruhigt hatte, daß er überlegen konnte, was nun geschehen sollte. Er mußte etwas unternehmen, das wurde ihm bewußt. Inzwischen war ihm auch klar geworden, daß es an der schwindenden Magie liegen mußte, was hier vor sich ging. Also machte er sich an die Vorbereitungen zum Aufbruch, um herauszufinden wohin die Magie verschwand. Er fertigte sich aus den wärmsten Fellen, die er finden konnte einen besonders warmen Mantel. Dieser war an beiden Seiten geschlitzt, so daß er das Rückenteil hinter seinen Flügeln und die beiden vorderen Bahnen vor den Flügeln anlegen konnte. Dann wurde der Mantel um die Taille gegürtet, um ihn vorne und an den Seiten zu schließen. Außerdem fertigte er sich eine neue gefütterte Haube für unter dem Helm, an der er auch ein Tuch vor Mund und Nase anbringen konnte.

Als seine Vorbereitungen abgeschlossen waren, prüfte er seine Ausrüstung sorgfältig. Dann gab er seiner erstarrten Gemahlin noch einen Kuß auf die Stirn und brach auf.

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Wie weit war er früher geflogen! Heute hatte er sich ein lächerliches Stück gegen den Wind voran gekämpft und doch schmerzten und krampften seine Flügel inzwischen so sehr, daß er unmöglich weiterfliegen konnte. Natürlich hing sein Flugvermögen von seiner Magie ab und dementsprechend wenig Kraft hatte er dafür, als er sich jetzt lediglich auf seiner Muskelkraft verlassen mußte. Voller Zorn drehte er die Hand mit dem Speer um und stieß diesen in den verharschten Schnee vor sich. Er stieß so heftig zu als wäre es die Brust seines ärgsten Feindes. Der Speer verschwand bis zu seiner Hand in der weißen Decke und wäre wohl auch komplett darin versunken hätte er ihn nicht festgehalten. Er zog ihn wieder heraus und starrte in diese weiße Welt vor sich. Eine Welt ohne Konturen, ohne Anhaltspunkte, die nur aus Wind, Schnee, Eiskristallen und Kälte zu bestehen schien.

Plötzlich nahmen seine feinen magischen Sinne einen Hauch einer anderen magischen Existenz wahr. Er hob den Blick und vermeinte zwischen den wirbelnden Flocken einen schwarzen Schatten zu sehen. Er wußte, daß es riskant war, doch er hatte keine andere Wahl. Er schickte eine kurze magische Spitze aus – nur einen Wimpernschlag lang zu spüren – um das andere Wesen auf sich aufmerksam zu machen.
Zuletzt geändert von Yosemite am 31. Jul 2015 20:19, insgesamt 2-mal geändert.
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Lucerias
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Re: Wintermond

Beitrag von Lucerias »

Akara stutzte und sackte einige Meter nach unten, ehe sie sich mit hektischem Flattern wieder fing. Ihr Herz raste. Magie! Ein ganz kurzer, ganz schwacher Hauch. Früher hätte sie ihn kaum bemerkt, aber hier in der Leere spürte sie es so deutlich wie einen glühender Speer, der sich direkt zwischen ihre Schuppen bohrte. Magie! Echte Magie! Wie oft in den letzten Wochen hatte sie geglaubt, das letzte Wesen in dieser Einöde zu sein? Da war Magie! Das Wort hämmerte in ihrem Kopf und sie fühlte sich so euphorisch wie ein Schlüpfling bei seinem ersten Flug. Wo war es? Hektisch ging ihr Blick hin und her, während sie einen engen Kreis flog. Ein wütendes Brüllen verließ ihren Hals, weil ihr der wild umherwirbelnde Schnee jegliche Sicht raubte. Weiter runter!
Da, da war doch was! Ein kleiner, schmaler dunkler Fleck. Akara legte die Flügel an und ließ sich tiefer sinken. Nur ganz kurz konnte sie Blicke auf den Fleck erhaschen, bis der Schnee wieder alles verdeckte. Da! Da! Da war ein... Mit einem Rumpeln krachte die Drachin eine Schneewehe, wo sie durch ihr Gewicht sofort bis zum Bauch in dem eisigen Zeug einbrach. Sie brüllte nochmals, hasste sich für ihre eigene Dummheit. Die Kälte kroch ihr sofort durch jede Faser ihres Körpers. Mühsam flatterte sie mit den Flügeln und bewegte abwechselnd die Beine, wodurch sie sich Zentimeterweise wieder aus dem Loch arbeitete. Doch jedes Mal wenn ihre Ungeduld die Oberhand gewann und sie mehr Kraft aufwendete, bröckelte der Schnee wieder ab und schickte sie zurück nach unten.
Wo war es, das andere magische Wesen? Es wirbelte so viel Weiß vor ihren Augen, dass sie kaum etwas sehen konnte. Hatte sie es sich nur eingebildet?

Akara brüllte nochmals, diesmal fragend und bei weitem nicht mehr so laut wie zuvor. Bitte sag, dass ich nicht wahnsinnig werde...
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Yosemite
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Re: Wintermond

Beitrag von Yosemite »

Als er so viel von der wenigen Magie, die ihm noch verblieben war, aufwendete, verschwamm sein Blick einen Moment und Schwindel drehte sich in seinem Kopf. Doch sein magischer Speer hatte offensichtlich gewirkt. Näher herunter kam der schwarze Schatten und begann offenbar über ihm zur kreisen. Für einen Moment glaubte er einen Drachen zu erkennen, doch er war sich nicht sicher, da die weißen Flocken das Bild direkt darauf wieder verwischten. Doch plötzlich hörte er selbst durch den pfeifenden Wind einen lauten Rumms. Offenbar hatte der Drache die Orientierung zwischen weißem Himmel und weißem Boden verloren und war abgestürzt. Ippokratis machte sich direkt auf den Weg, kam jedoch nur schleppend voran. Jeden Schritt mußte er vorher ertasten, daß er nicht ganz in dem weichen Weiß versank.

Als er das leisere, fragende Brüllen des Drachens hörte, nahm er sein Horn vom Koppel und blies so kräftig er konnte hinein. In normalen Zeiten wäre dies ein tiefer, schöner, weitklingender Ton gewesen - heute hoffte er nur, daß dieser vom Wind nicht einfach fortgerissen wurde. Er breitete die schmerzenden Flügel aus, um besser gesehen zu werden. Dabei merkte er, daß Fliegen momentan unmöglich wäre durch die Vereisungen an seinen Federspitzen.
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Lucerias
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Re: Wintermond

Beitrag von Lucerias »

Die Drachin hob den Kopf, als neben dem heulenden Wind ein anderes Geräusch an ihre Ohren drang. Sie hatte Schwierigkeiten, es zuzuordnen, hätte aber zunächst auf ein Signalhorn getippt. Ein Mensch? Nein, das was sie gespürt hatte, konnte unmöglich von einem bloßen Menschen stammen. Was war dann hier draußen? So weit sie konnte reckte sie den Hals und starrte in den Schneesturm. Da war doch etwas dunkles, knapp am Rand ihres Sichtfelds. So nah, und doch so fern... Und sie steckte hier im Schnee fest wie ein hilfloses Reh in einer Grubenfalle! Wut stieg in ihr auf, der gleiche tiefe Zorn der sie davon abgehalten hatte, sich einfach zusammenzurollen und sich wie die anderen ihrem Schicksal zu ergeben. Sie würde hier nicht liegenbleiben und sterben! Sie grollte. Nicht an das Eis denken. Nicht an die Kälte denken. Ignorieren, dass ihre Füße schon fast taub waren. Ignorieren, dass ihre Schuppen langsam durch das Eis zusammenfroren.
Sie war ein Drache, Herrscher von Wind und Feuer! Das bisschen Schnee würde sie nicht unterkriegen! Nein! Knurrend sammelte sie ihre verbliebenen Kräfte und stieß sich mit den Hinterbeinen ab. Zusammen mit hektischem Flügelschlag schaffte sie es tatsächlich, durch den Schwung aus dem Loch zu kommen. Weiter! Nach diesem Sprung landete sie hart auf dem Boden, welcher sogleich wieder mit einem widerlichen Knirschen unter ihr nachgab. Diesmal sank sie sogar noch tiefer und blieb fast bis zum Rücken im Schnee stecken.

Für den Augenblick war ihr das aber vollkommen egal, da sie sich mit dem Sprung bis auf Sichtweite an ihr Ziel herangebracht hatte. Akara kniff die Augen zusammen und beäugte misstrauisch die Gestalt vor sich. Die schwächliche Form eines Menschen, in Felle gehüllt... dem ein großes Paar gefiederter Schwingen aus dem Rücken ragte. Die Drachin hatte hier und da schon mal von diesen Wesen gehört, ein stark magisch begabtes Volk mit einer Vorliebe für leidlich auszusprechende, absurd lange Namen. Bis jetzt hatte sie aber nie direkt Kontakt mit einem von ihnen gehabt...
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Re: Wintermond

Beitrag von Yosemite »

Ohne Sicht kämpfte sich Ippokratis in die Richtung vor, aus der er das Geräusch vernommen zu haben glaubte. Plötzlich sprang der große schwarze Schatten vor ihm aus dem wirbelnden Weiß und diesmal konnte er eindeutig erkennen, daß es ein Drache war. Inzwischen waren selbst seine Wimpern und Augenbrauen befroren. Er legte seine Flügel wieder an und blieb vor dem Drachen stehen, der sehr tief eingebrochen war. `Schöne Bescherung - wie bekommen wir dich jetzt hier wieder heraus?´, dachte er sich. Er sah Akara eine kleine Weile schweigend an, dann traf er eine Entscheidung. Er sammelte das letzte Bißchen magischer Energie und wirkte einen Zauber, ohne ihn auszusprechen. Akara merkte, wie der Schnee unter ihren Pranken nicht mehr weich war, sondern zu hartem Eis wurde. Die Drachin konnte die Magie spüren - eine erstaunlich große Menge davon für diese harten Zeiten - und konnte erahnen, über welch mächtige Magie Ippokratis zu normalen Zeiten gebieten konnte.

Als der Magiefluß endete und der Schnee unter ihren Pranken fast vollständig zu hartem Eis gefroren war, sah Ippokratis sie durchdringend an und sein Blick schien zu sagen: `Ich hoffe, du weißt es mir zu danken.´ Dann wurde es schwarz vor seinen Augen und er brach bewußtlos zusammen. Er hatte es erwartet, als er seine magische Energie bewußt bis zum letzten verausgabt hatte.
Zuletzt geändert von Yosemite am 2. Aug 2015 18:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Wintermond

Beitrag von Lucerias »

Endlich schaffte die Drachin es, sich aus ihrem eisigen Gefängnis zu wuchten. Ihr Blick richtete sich auf das geflügelte Wesen vor ihr. War er tot? So viel Magie aufzuwenden... Sie stupste die reglose Gestalt auf dem Boden mit der Schnauze an. Nein, er lebte noch. Aber wenn das so bleiben sollte, musste sie handeln. Jetzt.
Akara nahm den Mantel des Fremden zwischen die Zähne und hob ihn daran hoch. Dann platzierte sie ihn mühsam quer auf ihrem Rücken zwischen ihren Flügeln, wobei er in einer Lücke zwischen zwei Stacheln fast schon eingeklemmt wurde. An Fliegen war nicht mehr zu denken – sie hätte so schon große Mühe, sich selbst heil durch den Sturm zu bringen. Von ihrer Fracht ganz zu schweigen. Wag es jetzt ja nicht, hier abzukratzen. Sie hob ihre beiden Flügel ein bisschen an, was zum einen den Fremden etwas vom Wind an den Seiten schützte, und zum anderen hoffentlich verhinderte, dass sie ihn unterwegs verlor.
Ratlos starrte sie in den immer stärker werdenden Schneesturm. Sie mussten hier raus und zwar schleunigst. Mit einem Knurren sammelte auch sie ihre wenigen verbliebenen Magiereserven und sandte sie aus, um nach der Spur ihrer eigenen Energie zu suchen. Eine höhere Konzentration davon wäre an ihrem Unterschlupf, wo sie sich länger aufgehalten hatte... theoretisch. Los... los... wo steckst du... Ihre Magie verteilte sich wirkungslos in alle Richtungen, versickerte in der Leere. Die Welt begann sich zu drehen, dennoch ließ sie nicht locker. Wenn sie die Höhle nicht fand, waren sie beide verloren. Erste dunkle Flecken begannen vor ihren Augen zu tanzen. Akara war kurz davor, aufzugeben. Moment, da war etwas. Ein schwaches magisches Echo aus südwestlicher Richtung. War es das?
Selbst wenn nicht, sie hatte keine Wahl!
Die Drachin machte sich auf den Weg. Bei jedem Schritt sank sie durch ihr Gewicht im Schnee ein, weswegen sie nur frustrierend langsam vom Fleck kam. Immer schön vorsichtig... Der Sturm war so stark geworden, dass sie kaum ihre eigene Schnauzenspitze sehen konnte. Sie hoffte nur, ungefähr die Richtung zu halten, sie hatte keine Möglichkeit es nochmals zu überprüfen.
Vorwärts.... Sie war so entsetzlich müde, dass sie kaum noch einen Fuß gerade vor den anderen setzen konnte. Vielmehr schwankte sie immer bedrohlicher hin und her, schaffte es kaum noch, die Beine über den Schnee zu heben. Ihre Flügelspitzen und ihr Schwanz schleiften als nutzloses Gewicht am Boden entlang. Sie spürte es nicht mehr.
Weiter... nicht.... stehenbleiben.... Ein Schritt. Noch ein Schritt. Akara konzentrierte sich nur noch darauf. Noch ein Schritt. Ihr Blick wurde glasig, sie konnte sich kaum noch gegen den Wind vorwärts kämpfen. Mittlerweile spürte sie überhaupt nichts mehr und ihr Kopf schien in einem Nebel zu stecken.
Ein Schritt weiter. Wie lange es so weiterging, wusste sie nicht.

Und... noch weiter... Sie stolperte ins Leere, bekam aber kaum mit, wie ihr Kopf gegen den Boden knallte und ihr Flügel an etwas hartem entlangschrammte. Sie war so müde... sie war am Ende... die Welt war dunkel geworden... War es das jetzt? Das Ende des letzten Drachen. Ein Zucken lief durch ihre Pranken und sie hörte ein ganz leises, quietschendes Geräusch. Was...? Benommen schüttelte sie den Kopf und blinzelte. Etwas war anders. Sie brauchte eine Weile, bis es ihr benebelter Verstand einordnen konnte.

Der Wind war fort. Sie war in ihrer Höhle gelandet!

Akara war aber nicht in der Lage, sich zu freuen. Mit letzter Kraft kämpfte sie sich nochmal auf die Beine und schleppte sich den langen, schmalen Gang entlang. Immer wieder schrammte sie an den Felswänden entlang. Ein Schritt. Und noch einer. Als sich der Gang zu einer kleinen Kammer erweiterte, kippte sie endgültig zur Seite, krachte hart auf den Boden und blieb halb im Gang, halb in der Kammer, liegen. Durch ihre Größe versperrte sie den Tunneleingang jetzt fast komplett.
Irgendetwas rutschte auf ihrem Rücken... ach ja... stimmt... den hatte sie ganz vergessen...
Benommen drehte sie ihren Kopf, hob Ippokratis etwas unsanft mit den Zähnen am Mantel hoch und legte ihn in einem Haufen auf trockenen Gräsern, Stroh und Laub ab, der sich am Rand der Kammer befand.

Dann wurde es auch vor Akaras Augen endgültig finster und ihr Schädel knallte knapp neben Ippokratis auf den Boden.
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Yosemite
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Re: Wintermond

Beitrag von Yosemite »

Da war es wieder. Jedesmal wenn er die Augen schloß sah er Lysanns Gesicht vor seinem inneren Auge. Ihre kalte starre Maske, die - so unpassend - ein warmes Lächeln zeigte. Das Lächeln galt ihm, galt ihrer Liebe für ihn - er hatte die letzten Tage und Stunden nur an ihrem Lager verbracht, ohne zu Essen, ohne zu Trinken, bis sie in die kalte Starre hinüberglitt, immer noch das Lächeln auf ihren Zügen.

Schwer atmend schlug Ippokratis die Augen auf. Es war stockdunkel um ihn herum. Wo war er? Was war passiert? Er setzte sich auf, seine Sinne waren immer noch umnebelt. Er begann um sich herum zu tasten - oh, wie er haßte nur auf seine körperlichen Sinne angewiesen zu sein. Zunächst erfühlte er das Lager aus Heu und Laub, seine Hand glitt weiter und stieß auf etwas Hartes, aber Warmes. Unwillkürlich zog er die Hand zurück und dann fiel ihm alles wieder ein - der Sturm, der Schnee, der Drache, der Zauber, den er wirkte um diesen zu retten... Aber warum war er nicht kalt und starr geworden? Er hatte seine letzten Energien für diesen Zauber verbraucht - warum war es ihm nicht so ergangen wie dem Rest seines Volkes?

Langsam streckte er erneut die Hand aus, um den Drachen zu berühren. Vorsichtig legte er die Hand auf die harten scharfkantigen Schuppen. Sie waren warm und er konnte den gleichmäßigen Atem des Geschöpfes spüren.

Dann schoß ihm ein anderer Gedanke in den Kopf. `Oh nein, es wird doch nicht...´ Er begann das Lager um sich herum abzusuchen. Dann atmete er erleichtert auf, als sich seine Hand um den Schaft seines Speeres schloß. `Den Göttern sei Dank. Offensichtlich hat der Drache es geschafft, meinen Speer mitzunehmen.´

Er kroch zurück, wo er den Drachen vermutete. Er ließ seine Hand über die Schuppen gleiten um zu ertasten, wo er war. Als er ein Auge erspürte arbeitete er sich weiter bis zu seiner Schnauze vor. Dort fing er an darüber zu streichen, um die Lebensgeister des Drachen wieder zu erwecken.
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Lucerias
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Re: Wintermond

Beitrag von Lucerias »

Begleitet von einem schnaubenden Geräusch blies Ippokratis' Hand ein Schwall warmer, feuchter Luft entgegen. Ein schwaches Brummen erfüllte die Höhle und kurz darauf blinzelte ihm ein orangerotes Auge entgegen. Doch dessen Blick schien einfach durch ihn hindurchzugehen und ihn gar nicht wahrzunehmen. Über dem Orange lag ein dünner, milchiger Schleier.

Auch mit offenen Augen war Akara immer noch wie weggetreten. Zumindest innerlich schien sie in der gleichen Winterstarre zu stecken wie alle anderen Drachen. Ihr ganzer Versand war träge, reagierte nicht... oder nicht so wie er sollte... Wirre Gedankenfetzen und zusammenhanglose Sinneseindrücke schwebten an ihr vorbei. Einen davon zu fassen war ungeheuer anstrengend... die Schwärze am Rand ihres Verstandes wirkte dagegen so einladend, so friedlich... vielleicht sollte sie sich dorthin treiben lassen... nur einen kurzen Moment...

Ein Bergkessel. Drachen brüllten, so laut und so viele, dass der Boden erzitterte. Drachen, von allen Seiten um sie herum, über ihr, neben ihr, hinter ihr. Zorn und Verachtung, mit der Gewalt eines Donnerschlages...
Flügelrauschen.


Mit einem plötzlichen Ruck zog sich Akaras Kopf von Ippokratis zurück. Ein weiteres Brummen tönte durch die Höhle, doch dieses schien mehr die drachische Version eines Stöhnens darzustellen. Schuppen kratzen am Stein entlang, als sich die schwarze Drachin mühsam von ihrer verkrampften Schräglage wieder auf den Bauch rollte. Schon die kurze Anstrengung reichte, um sie beinah wieder in die Besinnungslosigkeit zu schicken. Was ist passiert? Akara legte den Kopf wieder auf dem Boden ab und rührte sich nicht mehr, in der Hoffnung, die sich drehende Umgebung würde dadurch wieder zum Stillstand kommen. Wie bin ich hier her gekommen? Ihr Gedächtnis ging nur bis zu einem Moment, indem sie sich durch den Schneesturm gekämpft hatte, danach klaffte eine große schwarze Lücke.

Ihr Blick wanderte zum Rand der Kammer, wo sie, diesmal bewusst, ihr Mitbringsel in Augenschein nahm. Eine Weile blieb sie still und starrte ihn nur an, bis ihr einfiel dass er hier vermutlich gar nichts sehen konnte. Zweibeiner-Augen.
„Auch noch am Leben, ja?“ Ihre Stimme klang matt und war kaum mehr als an kratziges Flüstern.
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Yosemite
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Re: Wintermond

Beitrag von Yosemite »

Ippokratis streichelte gleichmäßig weiter, bis der Drache sich zur rühren begann. Dann nahm er seine Hand zurück und wartete geduldig, daß der Drache seine Benommenheit abschüttelte. Er wußte noch sehr genau, wie es ihm ging als er die Augen aufgeschlagen hatte und vermutete, daß es dem Drachen nicht viel besser ergehen würde. Er saß noch immer auf dem Lager und hörte irgendwann die Worte des Drachen. Er antwortete mit leiser Stimme: "Durchaus, obwohl ich es nicht verstehe. Wieso bin ich nicht ebenfalls in diese Starre gefallen wie die anderen meines Volkes? Ich hatte meine letzten Magiereserven verausgabt, um euch aus dem Schnee zu befreien." Er hielt kurz inne. "Leider bin ich momentan nicht in der Lage hier drinnen etwas zu sehen, da ich nicht auf Magie zurückgreifen kann, die mir dies unter normalen Umständen leichtens ermöglicht hätte. Dennoch darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Ippokratis Don Demian."
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Re: Wintermond

Beitrag von Lucerias »

„Akara“, brummte sie knapp. „Der letzte und einzige Drache, den Ihr in diesen Landen noch finden werdet. Mit der Dunkelheit werdet Ihr auskommen müssen“, meinte sie gleichgültig, „ich werde meine letzte Magie nicht opfern, nur um Licht zu machen.“ Sie klang womöglich schroffer als beabsichtigt, aber das war ihr egal. In ihren Augen hatte sie sämtliche Schuldigkeit gegenüber Ippokratis beglichen, indem sie ihn bis hierher geschleppt hatte. Alles weitere ging sie nichts an.
Sie ließ Ippokratis auch so schon eine seltene Ehre zuteil werden, indem sie ihn mit einem respektvollen „Ihr“ ansprach. Normalerweise sahen sich Drachen den zweibeinigen Wesen überlegen und würden nie im Traum daran denken, so etwas zu tun. Aber die Zeiten änderten sich. Ich sehe ja immer wieder, was uns die Arroganz gebracht hat.

Die Höhle war tief genug, dass kein Wind hier herunter kam und es einigermaßen warm war – im Vergleich zu draußen. Leider verirrte sich auch kein Lichtstrahl dort rein. Als ob es draußen überhaupt noch Licht geben würde. Es ist tiefste Nacht... wie immer. Oder es stürmt.

Mühsam stemmte sie sich hoch und schleppte sich mit zitternden Beinen an die andere Seite der Kammer, wo sie sich wenig elegant in Heu und Stroh fallen ließ. Der Boden erzitterte leicht. Sie war immernoch entsetzlich müde... und hungrig. Die Jagd hatte nichts ergeben, schon wieder. Akaras Magen beschwerte sich grummelnd. Ihr Gast sah eigentlich auch ziemlich essbar aus, wenn sie so darüber nachdachte... Nein. Schlechte Idee. Ablenken. An etwas anderes denken. Sie schluckte den Sabber herunter, der sich bereits in ihrem Maul gebildet hatte. Warte wenigstens, bis er wirklich tot ist.
„Und... sind von Euresgleichen noch welche übrig?“
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Re: Wintermond

Beitrag von Yosemite »

"Es ist mir eine Ehre, Akara." Dann sprach sie von ihrer Magie, da sagte er mit leicht belustigter Stimme: "Nein, natürlich nicht, das habe ich auch nicht gemeint. Leider ist mein Volk, und somit auch ich, sehr von der Magie abhängig - zu sehr für diesen "Winter", was auch immer er bedeuten mag. Ich werde mir wohl oder übel eine Laterne besorgen müssen, wie einer dieser schwachen Menschen." Er nahm eine Handvoll Heu und Laub vom Lager und warf sie wütend zur Seite. "Das ich das einmal nötig haben würde, hätte ich nie gedacht." Er pausiert kurz, bevor er wieder in normaler Stimmlage fortfuhr: "Ich danke euch, daß ihr mich nicht im Sturm liegen gelassen habt."

Dann antwortete er noch auf ihre Frage: "Ja und nein, sie sind nicht gestorben, aber sie leben auch nicht. Und seit Lysann, meine Gemahlin, ebenfalls in diese Starre hinübergeglitten ist, bin ich der letzte, der noch Leben in sich hat." Jetzt wurde seine Stimme entschlossen: "Aber ich werde sie mir zurückholen. Ich werde herausfinden, wohin die Magie verschwindet und ich werde es beenden. Und nun entschuldigt mich, ich werde jetzt herausfinden, wie es oben ist, so daß ich die wenigen Lichtstunden am Tag wenigstens ausnutzen kann." Er griff nach seiner Lanze und stand auf.
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Re: Wintermond

Beitrag von Lucerias »

„Natürlich steht es euch frei zu gehen“, brummte die Drachin gelangweilt. „Und ebenso steht es euch frei, allein, plan- und orientierungslos nach draußen zu stürmen und im Eiswind steckenzubleiben.“ Akara wusste zwar nicht genau, wie lange sie beide weggetreten gewesen waren, aber aller Wahrscheinlichkeit nach war es draußen finster und Schneesturm tobte. Die Entschlossenheit des Kerlchens war lobenswert, aber dennoch wirkte er etwas übermütig. Ob er überhaupt nur eine grobe Vorstellung davon hatte, wie er das ganze denn bewerkstelligen wollte?
Sie fand es so schon äußerst erheiternd zu beobachten, wie ihr Gast im Dunkeln herumstolperte. Glücklicherweise bin ich nicht vollkommen hilflos... ohne Magie. Wie man mit diesen erbärmlichen Menschenaugen überhaupt etwas sehen sollte... sie konnte sich das kaum vorstellen. Falsche Richtung... Kalt... noch kälter... Mit einem belustigten Schnauben gab sie sich schließlich geschlagen und beschloss, dem armen Zweibeiner auf die Sprünge zu helfen. „Zwei Schritte geradeaus, dann nach links drehen, nochmal drei Schritte und dann der Wand zu eurer Linken folgen. Der Gang führt direkt bis nach oben.“ Sie rollte sich auf ihrem Lager zusammen und beobachtete Ippokratis nur noch mit einem halb geöffneten Auge. Nimm es mir nicht übel, wenn ich deine gefrorenen Überreste dann auffresse, ja?
„Vorsicht Stufe.“
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Re: Wintermond

Beitrag von Yosemite »

Ippokratis bedankte sich für ihre Anleitung. Dann legte er eine Hand an die Wand des Tunnels und stieg langsam hinauf. Der Gang erschien ihm in der Finsternis unendlich lang, zumal er die Füße behutsam aufsetzte um nicht zu stolpern. Irgendwann wurde die Luft frischer und bald darauf merkte er Sturmwind und Schneeflocken, die dieser ihm ins Gesicht trieb - aber er sah immer noch nichts. Es war also Nacht und der Sturm wütete noch. So machte er kehrt und tastete sich denselben Weg zurück, bis die Wand von seiner Hand zurücksprang und er Akaras Atem wieder hören konnte. "Es ist Nacht. Ich hoffe, Ihr gewährt mir noch so lange Obdach bis ich meine Reise fortsetzen kann."

Als sie bejahte suchte er die Ecke der Kammer, in der das Lager mit Heu und Laub war. Dort legte er den Speer ab, der dabei leise auf den Steinen klirrte, und legte Schild und Reisebündel daneben. Dann zog er den Mantel aus und setzte Helm und wattierte Unterkappe ab. Gewohnheitsgemäß strich er sich kurz durch die Haare, um sie ein wenig zu ordnen. Dann setzte er sich auf das Lager.

Lange brütete er schweigend über seinen eigenen Gedanken. Das Unternehmen würde sich schwieriger gestalten, als er angenommen hatte. Er wünschte, er wäre so veranlagt wie die Drachen, die auf Grund ihrer Körperkraft nicht so auf die Magie angewiesen waren wie er, dessen ganzes Sein zu normalen Zeiten mit der Magie verwoben gewesen war. Immer noch in Gedanken und ohne zu merken, daß er es aussprach, sagte er schließlich leise: "Ich wünschte, Triumphalis der Silberne wäre hier. Mit ihm könnte ich das hier schaffen."
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Re: Wintermond

Beitrag von Lucerias »

Die Drachin brummte nur zustimmend, als ihr Gast – oh Wunder – doch wieder angekrochen kam. So viel Platz nahm der Kerl schließlich nicht weg und seine Anwesenheit störte sie nicht weiter.

Akara war schon wieder fast eingeschlafen, als sie Ippokratis' unabsichtliche Bemerkung mitbekam. Ein tiefes, dunkles Grollen erfüllte sogleich die Höhle. Triumphalis... pah. Schon allein dieser Name... die Drachin war fast etwas erstaunt, wie sauer sie das kleine Wort aufstieß. Natürlich wollte dieser dürre Zweibeiner die Legende. Alles andere wäre ja vollkommen lächerlich. Sie schnaubte. Pech, die alte Silberschuppe ist nicht hier. Du musst mit Akara der Abtrünnigen Vorlieb nehmen. Aber nein, ihre Hilfe war ihm nicht gut genug. Er fragte sie nicht einmal. Warum auch. Jüngling. Schlüpfling. Jungblut mit zu viel Magie. Wie viel von diesem Blödsinn hatte sie sich über die Jahre anhören müssen? Sie bezweifelte zwar, dass Ippokratis über die leidige Geschichte Bescheid wusste, nach der sich Akara von den anderen Drachen abgewandt hatte, aber... ...aber trotzdem kann es dir vollkommen egal sein. Er wollte also die Legende aus einer früheren Ära... bitte, dann sollte er sie suchen. Was auch immer er sich von einem Friedensstifter erhoffte. Das da draußen war kein Feind, den man mit Feuer, Klaue, Waffen oder hübsch verpackter Diplomatie besiegen konnte.
„Sucht bei der Himmelsklippe. Wenn er noch lebt – gelebt hat – wird er da mit allen anderen von seinen... Ratsfreunden unter dem Eis liegen.“ Der knurrende Unterton bei der Erwähnung des Drachenrates ließ vermuten, wie Akaras Meinung zu diesem stand. „Viel Spaß beim Graben.“
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