Die Dämonenjäger

[Lucerias]

„Mmmhmm.“ Trisha brummte zustimmend. Falls wir eine Schneise der Verwüstung vorfinden, sind wir wahrscheinlich richtig. Andererseits war das mit Gerüchten ja auch immer so eine Sache... Ach egal. Ist ja nicht so, als hätte ich einen besseren Vorschlag.
Sie lenkte ihr Pferd zurück auf die Straße. Sie würde es Eric überlassen, das Tempo vorzugeben. Immerhin war das alles seine Idee.
Und ihr wäre auch wohler dabei, wenn sie ihn unterwegs ein wenig im Auge behalten konnte.

[Yosemite]

Eric ritt schweigend voran. Was sollte er Trisha auch drängen - sollte sie irgendwann ein wenig Vertrauen gefasst haben, würde sie schon von sich aus zu erzählen beginnen. Er schlug ein mittleres pferdeschonendes Tempo an. Als die Sonne sich langsam neigte, erreichten sie ein kleines Waldstück, in dem Eric eine Lichtung als Lagerplatz wählte. Er stieg ab und versorgte zunächst sein Pferd.

[Lucerias]

Trisha folgte Erics Beispiel und befreite ihr Reittier von Sattel, Zaumzeug und Gepäck. Nachdem sie es zum Grasen auf der Wiese angepflockt hatte, wandte sie sich zu Eric und sprach die ersten Worte seit Reisebeginn. „Ich geh Feuerholz holen.“ Ihr Tonfall war abweisend. Sie nach wie vor keine Lust zu reden - und noch weniger Lust, zuzuhören. Viel lieber wollte sie etwas Zeit für sich.
Ohne auf eine Antwort zu warten, verschwand sie zwischen den Bäumen.

[Yosemite]

Eric sah ihr nach und schüttelte leicht den Kopf, als sie außer Sichtweite war. Er richtete ein Lager ein und wartete.

[Lucerias]

Einige Zeit später kehrte sie wieder zurück. Einen Teil des Holzes stapelte sie zu einer Pyramide auf, den Rest legte sie als Nachschub für später bereit. Dabei konzentrierte sie sich scheinbar voll und ganz auf ihre Arbeit – aber ebenso offensichtlich war, dass sie sie diesen Vorwand nutzte, um Eric weiter zu ignorieren. Als sie fertig war, führte sie einen kurzen Schwenk ihrer Hand aus und sogleich loderte ein Feuer inmitten der Pyramide.
Dann hockte sie sich hin, unterdrückte ein Gähnen und schien weiter dazu entschlossen, ihren Begleiter mit Schweigen und Nichtbeachtung zu strafen.

[Yosemite]

Da es später Nachmittag und noch nicht dunkel war, hatte sich Eric einige Ruten von einem Haselnußstrauch in der Nähe geschnitten und auf Pfeillänge gekürzt, bevor Trisha zurück war. Nun war er gerade dabei, das Holz zu schälen. Zu seinen Füßen standen drei kleine Holzkästchen aus seinem Gepäck. "Ja, mit Ansgar war das schon so eine Sache. Wir jagten schon früh zusammen. Nachdem ich meine Narbe von einem der alten mächtigen Feuerdämonen erhalten hatte sagte ich mir, daß es nicht gut ist, ganz ohne magischen Schutz auf die Jagd zu gehen. Die meisten der Biester sind an sich ja nicht magisch, aber es gibt auch ein paar andere - wißt ihr ja selbst. Damals war ich noch ein Neuling, hatte gerade meinen zwanzigsten Sommer hinter mir. Ansgar war etwas älter als ich, aber auch noch neu in der Jagd. Es war ein gutes gemeinsames Jagen, bis ihn vor einem guten Gezeitenlauf einer der "Herren der Finsternis" umbrachte. Ich konnte ihn zwar verwunden, aber ganz ohne magische Unterstützung mußte ich mich zurückziehen." In seinen letzten Worten lag Haß.

Die "Herren der Finsternis" waren die mächtigste und gefährlichste Dämonenart, die beschworen werden konnte. Nicht viele Jäger wagten sich überhaupt an sie heran.

[Lucerias]

Da wollte jemand offensichtlich krampfhaft ein Gespräch in Gang bringen. Sollte er doch versuchen was er wollte, sie würde ganz bestimmt nicht anfangen von Nevyr – ihrem ersten Begleiter, oder dem zweiten, dem verlogenen Mitkerl, dessen Namen sie weder in diesem noch im nächsten Leben je wieder aussprechen würde, zu erzählen. Das ging keinen was an und so sollte es auch bleiben.

Inzwischen hatte sie sich wieder von ihrem Halstuch befreit und wärmte sich die Hände über dem Feuer, während sie nur mit einem Ohr der Erzählung zuhörte. War's das jetzt bald? Doch dann zuckte sie zusammen und warf Eric einen leicht entgeisterten Blick zu. Sein Ernst? Hatte sie das grade richtig verstanden?
Sie studierte ungläubig sein Gesicht, beziehungsweise das was sie davon sehen konnte. Offensichtlich war das ernst gemeint gewesen.
Eric war doch nicht wirklich auf die Jagd nach... dieser Art von Dämon gegangen? So verrückt war noch nicht einmal sie selbst, und sie hatte wahrlich schon eine Menge Mist gebaut in ihrem Leben.
Nein, das machte doch keinen Sinn. Er war kein junger, nach Ruhm und Anerkennung lechzender Anfänger mit Selbstüberschätzung, beziehungsweise blauäugiger ach-die-Geschichten-sind-eh-nur-übertrieben - Einstellung. Bis jetzt war er ihr nicht... dermaßen unvernünftig vorgekommen.
Da steckte doch mehr dahinter.
Zum Henker mit ihrem selbst auferlegten Schweigegelübde! Diese Frage musste sie loswerden.
„Wie seit ihr mit einem 'Herrn der Finsternis' aneinandergeraten?“

[Yosemite]

Eric lächelte leicht unter seinem Gesichtstuch, was seine Augen jedoch nicht verrieten. Er hatte also wie erhofft ihre Neugier geweckt. Sollte sie es aus ihm herauskitzeln, wenn sie wollte, er würde jedenfalls dafür sorgen, daß sie mit einer kurzen Frage nicht alles erfuhr. "Wie? Nun ganz einfach: Er wurde für uns erschaffen."

[Lucerias]

Innerhalb von Sekunden wechselte Trishas Blick von Neugier zu blankem Abscheu. Sie wandte sich ab und starrte wieder ins Feuer. Den giftigen Unterton in ihrer Stimme konnte man kaum überhören. „Und MICH halten die Leute für wahnsinnig.“
Sie musste sich sehr zusammenreißen, um Eric nicht mit wüsten Beschimpfungen zu bombardieren. 'Für ihn erschaffen worden!' Er ließ sich freiwillig die übelste Sorte Dämon beschwören. Nur um sich den ultimativen Nervenkitzel zu sichern, oder wie? Um damit anzugeben? Oh, und dann war das Biest – vööööllig unerwartet - doch zu stark gewesen, konnte sich aus dem Staub machen und jetzt ungehindert Tod, Elend und Verwüstung verbreiten.
Genau solchen Leuten verdanken wir überhaupt diese Dämonenplage.
Eric auch nicht besser als all die schmierigen Söldner in den Tavernen der Städte. Irgendwie gönnte sie ihm jetzt auch, dass sein Begleiter bei dieser Wahnsinnsaktion drauf gegangen war. Wer sich freiwillig auf so einen Blödsinn einließ, dem war nicht mehr zu helfen.

Jetzt wurde ihr auch klar, was sie noch an der ganzen Sache störte und den Zorn in ihr aufsteigen ließ. Sie war auch dumm genug gewesen, sich mit Eric zusammenzutun!
Du hast nichts gelernt, Mädchen. Überhaupt nichts.

[Yosemite]

Eric stutzte ob ihres giftigen Tons. Er schwieg einen Moment, dann dämmerte es ihm. "Ich denke, ihr habt mich falsch verstanden: Er wurde erschaffen, um uns zu töten. Habt ihr schon einmal vom schwarzen Magier De Gusto gehört?"

[Lucerias]

Das will ich auch stark hoffen. Trisha starrte weiter zum Feuer und verdrehte die Augen. Warum konnte er nicht einfach die Klappe halten? Wenn das so weiterging, könnte sie ihm bei weiteren Missverständnissen noch irrtümlich einen Zauber um die Ohren hauen.
Warscheinlich musste sie diesen Blödsinn den ganzen Abend ertragen. Hmpf. Dann kann ich immerhin an meiner Selbstbeherrschung arbeiten...
„Nein. Habe ich nicht.“
Falls es dir nicht aufgefallen ist, Junge, gehe ich nicht gern unter Leute. Und ich rede auch nicht gerne. Auch nicht mit anderen Magiern. Sie hatte keine Ahnung, was unter ihren Magierkollegen zur Zeit vor sich ging. Und ehrlich gesagt wollte sie es auch gar nicht wissen.

[Yosemite]

Eric spürte ihre Abneigung gegen das Gespräch deutlich. Deshalb sagte er nur noch mit düsterer Stimme: "Bei einem von uns hat er es ja auch geschafft." Dann ging er schweigend seiner Arbeit nach. Er spaltete jetzt vorsichtig drei der Pfeilschäfte an einem Ende und setzte drei normale Stahlspitzen, die er aus einem der drei Kästchen nahm, ein. Danach befiederte er sie mit Federn aus dem zweiten Kästchen und man sah, daß er dies schon oft gemacht hatte.

[Lucerias]

Endlich hatte Eric eingesehen, dass er sie nicht zu einem Gespräch bewegen würde. Trisha genoss die Stille. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie er sich ein paar neue Pfeile zusammenbastelte, aber schon nach wenigen Sekunden wurde ihr das Zusehen zu langweilig. Mit Waffen konnte sie einfach nichts anfangen. Ihren Dolch trug sie auch hauptsächlich als Andenken an eine Zeit, in der Zorn und Ärger nicht ihre ständigen Begleiter gewesen waren. Wirklich eingesetzt hatte sie ihn fast nie. Irgendwie traurig, wenn sie so darüber nachdachte.
Als hätte sie plötzlich ein Eigenleben entwickelt, wanderten ihre Finger hinunter zu dem Dolch an ihrer Hüfte. Auch durch die lederne Scheide spürte sie die vertraute Magie der dort eingravierten Runen, ein schwaches Echo dessen, der sie geschaffen hatte. Sie hatte wieder Nevyrs Stimme im Ohr, als er ihn ihr aufgedrängt hatte. Dieses freudestrahlende und zugleich bittende ach-komm-jetzt-nimm-schon-Lächeln samt perfekt eingeübtem Hundeblick. Sein 'bestes Werk.' Und alles was jetzt noch von ihm übrig war. Nachdem ich ihn ins Grab gebracht habe. Meinen besten Freund.
Trisha war ein wenig in sich zusammengesunken, bis ihr einfiel dass sie diesmal nicht allein war, sondern von irgendeinem wildfremden Bogenschützen beobachtet wurde. Sogleich straffte sich ihre Haltung wieder, als wäre nichts gewesen. Sie wollte nicht wie ein weinerliches Dorfmädchen wirken. Sie war eine Kämpferin, eine Jägerin, und bei so jemandem hatten derartige Gefühlsregungen nichts zu suchen. Weder jetzt noch in Zukunft. Punkt.
Also Schluss jetzt mit diesem Unsinn.
Konzentriere dich auf deine Aufgabe. Du bist nur hier um Schattenviecher zu erledigen. Für nichts anderes.

[Yosemite]

Eric bemerkte wohl ihren kurzen Einbruch, ging aber nicht darauf ein. Sollte sie doch so weiter machen, wenn sie unbedingt allein bleiben wollte trotz seiner Gegenwart. Er nahm nun fünf weitere vorbereitete Pfeilschäfte und spaltete wieder die Spitzen. Nun nahm er jedoch aus dem dritten Kästchen Pfeilspitzen aus weißem Halbedelstein und band diese mit geschickten Händen ein.

[Lucerias]

Gut. Eric hatte scheinbar nichts mitbekommen. Noch mal Glück gehabt. Etwas verwundert war sie schon darüber, dass er sich jetzt Pfeile aus Halbedelsteinen machte, aber sie wollte auch nicht nachfragen. Zu groß war für sie das Risiko, dadurch wie ein ahnungsloser Idiot dazustehen.
Warum mache ich mir überhaupt die Mühe? Er ist auch nur ein raffgieriger Mistkerl, der mich abschießen wird, sobald er sich zwischen 'fetter Belohnung' und 'nur die halbe fette Belohnung, dafür aber eine feindselige, undankbare und verschlossene Magier-Begleiterin' entscheiden muss. Da kann ich ihm nicht mal einen Vorwurf machen. Und selbst falls nicht... es würde ohnehin nie wieder so werden wie früher. Da brauchte sie sich keine Hoffnungen mehr zu machen. Nicht nochmal.

Eigentlich war Trisha hundemüde, aber gleichzeitig auch viel zu unruhig um ein Auge zuzumachen. Das Problem war Eric. Sie konnte sich einfach nicht hinlegen und sich dadurch völlig schutz- und wehrlos machen. Es ging nicht.
Auch wenn das vielleicht noch so albern war.